Muss ich denn schon wieder verreisen by Evelyn Sanders

Muss ich denn schon wieder verreisen by Evelyn Sanders

Autor:Evelyn Sanders [Sanders, Evelyn]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-08-15T06:23:22.296000+00:00


10

»Ab morgen sind wir pünktlich«, sagte ich zu Irene, nachdem wir mit der schon traditionellen Verspätung das Geschnatter am Frühstückstisch unterbrochen hatten. »Wir kriegen ja überhaupt nichts mehr mit. Wieso sind jetzt schon drei Plätze frei geblieben? Gestern war's doch bloß einer.«

Das wußte Betti ganz genau. Hanni Ihle liege im Bett. Ein Arzt sei bereits verständigt worden. »Die hat was Falsches gegessen, ist ja ganz klar. Ihr Mann hat gesagt, daß sie in einem arabischen Restaurant gewesen seien, wo man doch bestimmt keine Hygiene kennt. Jetzt hat sie Krämpfe und kommt nicht mehr von der Toilette runter. Selber schuld, sage ich immer, Schuster bleib bei deinem Leisten. Mir könnte so etwas nie passieren, ich esse nur europäisch.« Sprach's und schaufelte Oliven auf ihren Paprika-Quark. Emsig kauend, redete sie weiter: »Aber das mit der Claudia ist ein Skandal. Jawohl, ein Skandal ist das! Kommt sie doch vorhin an, packt ihre Tasche und sagt, daß sie nicht weiter mitfährt. Hierbleiben will sie, bis wir zurückfliegen, vielleicht auch länger, das weiß sie noch nicht genau. Der Uwe ist ganz durcheinander deswegen.«

Diesen Eindruck hatte ich allerdings nicht. Zumindest schien ihm seine abtrünnige Freundin nicht auf den Magen geschlagen zu sein. Er löffelte Müsli und trank Bier dazu.

»Ich verstehe gar nicht, wie Frau Marquardt das erlauben kann«, fuhr Betti fort. »Sie müßte doch...«

»Was hätte sie denn tun sollen? Das Mädchen ist volljährig.«

»Das ist egal, so etwas gehört sich einfach nicht. Wenn das meine Tochter wäre...«

Ich habe nie erfahren, was Betti mit ihrer Tochter gemacht hätte, wahrscheinlich entmündigen lassen. Frau Marquardt kam nämlich zur Berichterstattung, und sofort wurde es mäuschenstill.

»Unserer Patientin geht es schon etwas besser. Der Arzt war da, hat ihr eine Spritze gegeben, und Menachem holt gerade die Medikamente aus der Apotheke. Übrigens hat Frau Ihle zugegeben, trotz meiner Warnung bei einem der fliegenden Händler einen obskuren Saft getrunken zu haben. Wahrscheinlich ist das die Ursache ihrer Beschwerden. Deshalb nochmals meine Bitte: Wenn Sie sich etwas zu trinken kaufen, nehmen Sie nur verschlossene Flaschen oder Dosen, obwohl man auf letztere lieber verzichten sollte. Auch Israel hat sein Müllproblem.

Was unsere Ausreißerin betrifft, so kann ich nur sagen, daß diese Situation auch für mich völlig neu ist. Claudia hat mir klipp und klar eröffnet, daß sie noch ein paar Tage in Jerusalem bleiben möchte und bereits eine Unterkunft habe. Zum Rückflug komme sie allein nach Tel Aviv. Ich habe ihr die Anschriften und Telefonnummern aller Hotels gegeben, in denen wir noch übernachten werden, so daß sie notfalls weiß, wo sie uns erreicht. Mehr kann ich nicht tun. So, das waren die aktuellen Neuigkeiten. Jetzt sollten wir uns auf den Weg machen, es ist ohnehin reichlich spät geworden.«

Beifälliges Nicken, dann zog die Herde schnatternd zum Ausgang.

»Ich glaube, jetzt müssen wir doch mit der Sprache heraus«, sagte ich leise zu Irene. »Frau Marquardt sollte wissen, wo wir Claudia aufgegabelt haben.«

Sie war uns auch dankbar dafür. »Würden Sie den Laden wiederfinden?«

»Na ja, vielleicht«, antwortete ich. Dann fiel mir Bernhards Skizze ein. »Hast du die Wegbeschreibung schon weggeworfen?« fragte ich Irene.



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